Über Privatsphäre und Demokratie

Politiker aller Herren und Damen Länder erdenken sich immer neue Wege und Mittel die Bürger zu überwachen und in Datenbanken aller Art zu speichern. An jeder Scheiss-Ecke stehen Kameras, der erste Kontakt eines Neugeborenen mit dem Staat ist das Zusenden einer individuellen und lebenslang gültigen Steuer-ID. Sie wollen Vorratsdatenspeicherung und Arbeitnehmerdaten. Sie rastern uns durch Terrordateien, fordern Fingerabdrücke und biometrische Fotos. Sie lassen diese Daten in Forschungsprojekten wie INDECT miteinander verknüpfen, entwickeln Tools zur Auswertung von sozialen Netzwerken. Sie stellen Auto-Kennzeichenerfassungsgeräte auf und speichern, wer mit wem kommuniziert. Sie machen keine vernünftigen Datenschutzgesetze, um die private Wirtschaft endlich zu zwingen mit unseren Daten sparsam und verantwortungsvoll umzugehen.

Immer wenn wir sagen, dass die Sammlung von Daten gefährlich ist, werden wir abgebügelt, dass das alles ganz sicher sei. Immer wenn wir sagen, dass uns unsere Privatsphäre wichtig ist, dann sagen sie, dass diese doch gewahrt bliebe. Dass es eine Ausgewogenheit zwischen unserer Privatsphäre und den Sicherheitsinteressen gäbe. Wir werden vertröstet, dass wir doch dem Staat trauen und vertrauen können. Und alles sei in bester Ordnung.

Die Wikileaks-Affäre zeigt gerade, wie Politiker damit umgehen, wenn ihre Daten, ihre Staatsgeheimnisse, ihre Gesprächsnotizen, ihre Diplomatendepeschen und der ganze andere (oft auch total banale) Kram publik werden. Einerseits wird alles runtergespielt, damit das vermeintlich alternativlose “Weiter so” nicht in Gefahr gerät. Da ist man international solidarisch in der Präsidenten- und Kanzlerinnen-Szene.

Auf der anderen Seite fordern sie jetzt Privatsphäre für Staatsgeheimnisse, Datensparsamkeit und verbesserten Datenschutz. Da wird Druck auf Konzerne wie Amazon ausgeübt, damit der Wikileaks-Server dort nicht gehostet werden dann. Der DNS-Eintrag gelöscht. Da wird mit “Hunt-them-down”-Rhetorik Jagd gemacht auf ein Projekt, das im Dienste der Allgemeinheit eben mal Staatsgeheimnisse ausplaudert, die irgendwer aus dem Kreis der Geheimnisträger veröffentlicht hat. Ja, da hört der Spaß aber auf. Da ist das Geheimnis dann wichtig, wird als unverzichtbar erklärt. Mit großem Brimborium, von allen Parteien und auf allen Ebenen und rund um den Globus. Da sind sie sich einig die Staatsmänner, die Diplomaten und Parteigenossen. Töricht sind die, die gegen Geheimnisse sind. Sagen sie – und meinen nur ihre.

Aber wir, wir sollen unsere Daten immer schön hergeben, wir sollen unsere Telefonate, unseren Mailverkehr und die besuchten Internetseiten für sechs Monate zwangsspeichern lassen. Wir sollen gläsern sein und transparent. Für uns soll es keine Geheimnisse, keine Privatsphäre geben. Für uns gilt zwangsweise StaatsbürgerLeak. Und der Julian Assange von StaatsbürgerLeak ist der Innenminister. Alle Daten auf Knopfdruck verfügbar, schön in Datenbanken aneinandergereiht, miteinander verkettet und in jeder erdenklichen Form kombinierbar.

Sie fordern die totale Informationsfreiheit des Staates gegenüber seinen Bürgern und jagen Bürger, die sich für Informationsfreiheit gegenüber dem Staat einsetzen.

So habe ich mir Demokratie nicht vorgestellt.

Aus: http://www.metronaut.de/politik/privatsphaere-staatsgeheimnisse/